Kanban in der Kieferorthopädie – Mit dem Pull-Prinzip Engpässe vermeiden, Teil 1

Das Pull-Prinzip, im Japanischen Kanban genannt, ist ein aus der Wirtschaft, beziehungsweise der Produktion stammender Begriff. Ziel ist es, die Wertschöpfungskette so zu steuern, dass auf jeder Fertigungsstufe eine Kostenoptimierung erreicht wird.

Um dieses Ziel zu erreichen, wird das Kanban-Prinzip zur Vermeidung oder Auflösung von Staus genutzt. In der kieferorthopädischen Praxis entstehen Staus z. B. durch eine falsche Planung der Behandlungszeiten oder kontraproduktive Reaktionen bei unerwarteten Staus im Wartezimmer – um nur zwei Problemfälle zu nennen. Schauen wir uns einmal den ersten Fall an:

Beispielplanung des gesamten Patientenaufkommens

Nehmen wir einmal an, du beginnst jedes Jahr 200 neue Behandlungen und eine Behandlung dauert drei Jahre. Du siehst also im ersten Jahr 200 PatientInnen, im zweiten Jahr 400, im dritten 600. Ab dem dritten Jahr schließt du jedes Jahr 200 Behandlungen ab, beginnst aber auch wieder 200 neue. Das bedeutet, du hast einen gleichmäßigen Flow von 600 PatientInnen pro Jahr. Für jeden Patienten, den du verabschiedest, nimmst du einen neuen auf. Mit jedem verabschiedeten Patienten entsteht also ein Freiraum, fast wie ein „Sog“, ein „Pull“ also, den du mit einem neuen Patienten besetzen kannst. Jetzt siehst du jeden Patienten alle vier Wochen zur Kontrolle. Dies bedeutet wiederum, dass du 600 Kontrolltermine pro Monat bereitstellen musst, 150 pro Woche. Dazu kommen Erstgespräche, die nicht zu einer Behandlung führen sowie Recalls und Reparaturen. Wir gehen in diesem Beispiel einmal von insgesamt 200 Terminen pro Woche aus. du benötigst vielleicht einen Tag für die Administration, dann verbleiben vier Tage mit jeweils 50 Terminen und bitte beachte: Diese Termine beinhalten alle Terminarten! Wir kalkulieren im nächsten Schritt also eine Durchschnittszeit von Erstgesprächen, Planbesprechungen, Bebänderungen, Diagnostikterminen, Multibandkontrollen, herausnehmbaren Kontrollen, Recalls usw. Rechnen wir einmal mit 15 Minuten. Bevor du jetzt sagst, 15 Minuten sind aber lang, bedenke bitte auch, dass diese Schätzung das Besetzen des Behandlungszimmers, die Begrüßung und Verabschiedung des Patienten und ihrer Begleiter, die Kontrolle und die Behandlung ebenso wie die Vor- und Nachbereitung des Behandlungszimmers beinhaltet! Im heutigen Beitrag durchdenken wir eine von zwei möglichen Szenarien.

Problematische Lösung 1: Terminzeiten kürzen

Würdest du mit einer Assistentin an einem Behandlungsstuhl arbeiten, würden die 50×15 Minuten Termine 750 Minuten, 12,5 Stunden pro Tag dauern … Das willst du sicher nicht. Eine Möglichkeit ist natürlich die Terminzeiten zu kürzen. Aber dann verkommt deine Praxis zu einer Fließbandfabrik und der Service und das Zwischenmenschliche leiden!

Problematische Lösung 2: mehr Behandlungskapazität schaffen

Der nächste und meistverbreitete Lösungsversuch besteht darin, mehr Behandlungsstühle zu nutzen. Verteilst du die 50 Behandlungen auf drei Zimmer, benötigst du nur noch circa vier Stunden pro Tag. Das hört sich doch schon viel besser an. Bedeutet andererseits aber auch: Mehr Investitionen aufgrund der größeren Fläche der Praxis, aufgrund der Ausstattung der Zimmer, inklusive der Behandlungsstühle und des kompletten Instrumentariums, aufgrund des höheren Personalaufwands inklusive Gehälter, Einarbeitung, Qualitätsmanagement, Schulung usw.

Elegante Lösung 3: Behandlungsintervalle vergrößern

Eine weitere, oft unterschätzte, aber extrem wirkungsvolle Methode ist es dagegen, schlicht die Kontrollintervalle zu verändern. Erhöhst du die Kontrollintervalle von vier auf acht Wochen, reduziert sich die Anzahl der Kontrolltermine um 50 Prozent! Das heißt, mit drei Zimmern, drei AssistentInnen und acht Wochen Intervallen könntest du also theoretisch die Arbeitsbelastung auf etwa zwei Stunden pro Tag reduzieren. Wenn du jetzt die Terminzeit pro Kontrolle wieder etwas erhöhst, muss sich keiner mehr hetzen, der Druck auf die MitarbeiterInnen sinkt und es passieren weniger stressbedingte Fehler. Die Qualität steigt!

In der nächsten Folge: Mit dem Pull-Prinzip Engpässe vermeiden, Teil 2

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