Fehlermanagement, Teil 2

Den Ursachen auf die Spur gehen

Das Fehlermanagement beginnt damit, dass MitarbeiterInnen geschult werden, genau zu beobachten und Ursachen zu eruieren. Wir haben im vorigen Beitrag von Reizen oder „Clues“ gesprochen. Diese müssen wir erkennen. Schauen wir uns nochmal das Beispiel des Bracketverlustes an.

Werde zu Sherlock Holmes

Wir beginnen also sofort, den „Tatort“ zu sichern und nach Indizien Ausschau zu halten. Wo ist das Klebematerial haften geblieben, am Bracket oder am Zahn? Und befragen den „Zeugen“ Patient nach weiteren Hinweisen: Wann ist das aufgetreten, bei welcher Gelegenheit? All diese Informationen ergeben nach und nach ein schlüssiges Bild, wo der Fehler liegen könnte: an der Vorbereitung des Brackets, des Zahnes, durch Bruxismus oder unsachgemäße Handhabung seitens des Patienten. Ich beobachte bei meinen KursteilnehmerInnen oft, dass viele die Schlussfolgerungen zu früh ziehen und dadurch bestimmte Dinge außer Acht lassen. Trainiere, Deinen Blick zu schärfen und helfe vor allem Deinen MitarbeiterInnen dabei. Werde zum Sherlock Holmes und lerne, die wichtigen von den unwichtigen Informationen zu unterscheiden. Dies geht am besten durch standardisierte Verfahren. Tatort absichern, Zeugen festhalten, Kontamination der Beweise vermeiden, sammeln, sortieren, schlussfolgern. Nicht immer sind Ursachenketten sofort zu erkennen, manchmal muss man tiefer „graben“, um festzustellen, dass es verschiedene Ursachen gibt, die in der Zusammenfolge erst später ein Problem erzeugen. Oder man stellt fest, dass der Zeuge Patient nicht die Wahrheit sagt, aus Unwissen, weil er es vergessen hat oder weil er negative Folgen für sich befürchtet (Mehrkosten, Behandlungsabbruch usw.).

Refered Pain

In der Funktionsdiagnostik, wenn wir craniomandibulären Dysfunktionen auf der Spur sind, kommt dieses Phänomen häufig vor. Wir sind dann zum Beispiel mit dem sogenannten „refered pain“, dem Schmerz, der an einem anderen als dem auslösenden Ort auftritt, konfrontiert. Gerade muskuläre Beschwerden treten nicht immer am Ursprungsort auf, sondern es gibt Übertagungsmuster, die man verstehen und kennen muss, um schnell zur eigentlichen Schmerzquelle zu gelangen. Dies beschreiben D. Simons, L. Travell und L. Simons umfangreich in ihrer Publikation zu Triggerpunkten. Schmerzt beim Herzinfarkt das Herz? Oft ist es eher der Arm oder die Schulter! Warum führt eine im Bereich C0/C1 blockierte Halswirbelsäule oft zu Kopfschmerzen im Stirn- oder Augenbereich? Oder ein Triggerpunkt im Musculus Masseter projiziert Schmerzen auf einen Molaren. Es gilt also zunächst, alle Fakten zu sammeln und zu beobachten. Erst dann können wir mit Klarheit Schlussfolgerungen ziehen und bestimmte Maßnahmen einleiten. Diese Maßnahmen werden dann wieder gemäß PDCA (Plan, Do, Check, Act) durchgeführt. Hierin ist neben Sherlock Holmes und dem Vulkanier Spock auch Dr. House beispielhaft. Die ganze Dr. House-Serie lebt vom PDCA-Konzept. Immer wieder entstehen neue Diagnosen, es wird eine Therapie durchgeführt, diese führt nicht zum gewünschten Ergebnis. Allerdings liefert die nichterfolgreiche Therapie (oder der Einbruch ins Haus des Patienten) neue Hinweise, die wiederum zu einer weiteren Diagnose und einer erneuten weiteren Therapie führen, bis letztendlich die Heilung des Patienten gelingt. Wir sehen also, es ist nicht immer einfach zu erkennen, wo die Ursache eines Fehlers liegt.

Warum-Fragen

Zum Glück mussten mein Team und ich noch nie bei einem Patienten in der Nacht einbrechen, um zu prüfen, ob er auch wirklich seine herausnehmbare Zahnspange oder seine CMD-Schiene trägt. Wir haben immer andere Wege gefunden. Es hilft, immer weiter Warum-Fragen zu stellen, um so zum Kern eines Problems vorzudringen. Diese Fragetechnik ist nicht nur beliebt bei kleinen Kindern, sondern als 5-Why-Methode auch ein fester Bestandteil des Lean Thinking und somit auch von Lean Orthodontics®. Es geht dabei aber weniger um die konkrete Einhaltung von tatsächlich fünf Warum-Fragen als vielmehr um die Entwicklung des Habits „hartnäckig nachhaken“, wo der Fehler tatsächlich ist und einen Kausalzusammenhang festzustellen, der dann wiederum in einer verbesserten Arbeitsanweisung mündet. Idealerweise tritt so der gleiche Fehler nie mehr auf.

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